Eine partizipative Installation
In der Installation Zu Tisch verbinden sich die ‚Lesart‘ der Zeichnungen und Gemälde mit den authentischen Inhalten der Tischgespräche vor Ort. Auf einem Monitor in der Installation können die vorangegangenen Tischgespräche verfolgt werden. Das Tischgespräch ist partizipativ und nicht abgeschlossen und verbindet verschiedene Ausstellungs-/Inszenierungs- und Handlungsorte miteinander, indem jeweils die Dokumentation des vorangegangenen Gesprächs an einem neuen Ort in der Ausstellung zu sehen ist, bis ein neues Gespräch vor Ort stattgefunden hat.
Der gedeckte Tisch steht als Aufforderung im Raum. Ein Tischgespräch in der jeweiligen, aktuellen Ausstellung, das nach bestimmten Vorgaben mit Video aufgezeichnet wird und als solches Bestandteil der Installation, ist Teil des Gesamtkonzepts der Installation. An den unterschiedlichen Ausstellungsorten haben sechs Personen gemeinsam an diesem gedeckten Tisch gegessen und ein Tischgespräch geführt. Von 2015 bis 2018 heben bereits fünf Tischgespräche stattgefunden. Die Tischgäste qualifizieren sich durch ihre persönlichen, biographischen und/oder durch ihre professionellen Erfahrungen in den Bereichen Mehrsprachigkeit, Transkulturalität, ‚Ich und die anderen‘, Weggehen, Ankommen, Leben mit Krankheit, Einschränkung, Behinderung und ihr Interesse an den Erfahrungen der anderen. Für das Tischgespräch werden Spielregeln vereinbart. Es wird in Vorgesprächen inhaltlich vorbereitet, aber vor Ort nicht moderiert. Das Tischgespräch wird per Video (Bild und Ton) dokumentiert (Aufnahme/Schnitt/Nachbearbeitung) und ist in Folge in der Raum – Installation zu sehen und zu hören.
18. 09. – 17. 10. 2019
Marktkirche St. Georgii et Jacobi, Hannover
Im Rahmen von Kunst trotz(t) Ausgrenzung hat am 30. 09. 2019 in der Marktkirche Hannover St. Georgii et Jacobi ein ‚Tischgespräch‘ stattgefunden. Sechs ‚Tischgäste‘ aus Hannover wurden bei einem einfachen Abendessen partizipativer Teil der Rauminstallation Zu Tisch! Sie tauschten bei Tisch in einem zugewandten, interessierten Gespräch persönliche
18. 08. – 31. 10. 2018
St. Ulrici Brüdern Kirche, Braunschweig
Mit der Wanderausstellung Kunst trotz(t) Ausgrenzung wird die öffentliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ausgrenzungsphänomenen gesucht. Künstler*innen, die sich ganz unterschiedlich sozial und kulturell verorten, laden mit ihren Werken ein breites Publikum dazu ein, neue Perspektiven auf eine Gesellschaft der Vielfalt zu gewinnen und einen eigenen Standpunkt in einer zentralen politischen Debatte zu finden. Für das Ausstellungsprojekt hat Kurator Andreas Pitz über 50 Künstlerinnen und Künstler gewinnen können, die sich in ihren Arbeiten mit unterschiedlichsten Ausdrucksformen und Techniken mit dem Thema auseinandersetzen.
Im fünften Tischgespräch wurde in persönlichen Berichten ein Bild der Zuwanderung nach Deutschland in den letzten Jahrzehnten gezeichnet. Miguel kam in den 70er Jahren als ‚Gastarbeiter‘ aus Spanien nach Deutschland, um sein Studium in Spanien zu finanzieren, er hat sehr positive Erfahrungen gemacht. Sein Arbeitsvertrag wurde mehrfach verlängert, er beschloss zu bleiben. Hans kam als Kind 1945 mit seiner Familie in die Umgebung von Braunschweig. Seine Familie war aus Ostpreußen vertrieben worden. Sie waren Flüchtlinge im von Krieg und Nationalsozialismus zerstörten Land. Erst der zweite lebensbedrohliche Fluchtversuch von Herrn D., den er als 19jähriger unternommen hat, um aus Vietnam herauszukommen, ist geglückt. Er beschreibt sein Ankommen im Deutschland der Siebziger Jahre, seine Erfahrungen, seinen beruflichen Werdegang. Nadja wurde in der Schule ausgegrenzt und gemobbt. Heute lebt sie in einem Dorf der Diakonie, in dem Menschen mit und ohne Behinderung leben und arbeiten können. Vivi hat ebenfalls reichlich Erfahrungen mit Ausgrenzung gemacht, sie bestärkt Nadja, ihren eigenen Weg zu verfolgen. Selber hat sie auch viel Unterstützung von Einzelpersonen erfahren. Abdu lebt erst seit vier Jahren in Braunschweig und Hannover. Aufgrund des Krieges musste seine Familie Syrien verlassen. Er macht eine Ausbildung zum Physiotherapeuten und parallel sein Abitur. Sie können sich das Tischgespräch hier anhören.
2016, Stift Admont
Kochen ist wohl die älteste schöpferische Tätigkeit des Menschen. Aber lassen Sie sich im Museum für Gegenwartskunst von weiteren Aspekten des Fressens und Gefressen-Werdens, nobler und skurriler Speisen, entrückter und verrückter Essens-Perpektiven überraschen! Hätten Sie das erwartet? Admonter Mönche, die mit Essbarkeiten als ‚One Minute Sculptures‘ agieren? Oder Spaghetti-Nudeln als Mikadostäbchen? Ameisen, die Zucker-Architekturen abtragen, zerfressen und den Baustoff in die Nahrungskette eingliedern? Oder wie wäre es damit: Röntgen-Computertomographien von Big Macs, Hamburgern? Bleibt der Ernst? Anhand von ‚Fastfood‘ kann auch das Verhältnis von Nahrung und Ökologie thematisiert werden. Die moderne Lebensmittelindustrie im Verein mit industrieller Landwirtschaft und dem Konsumentenwunsch nach billigem, immer greifbaren Nahrungsangebot hat eine Spirale der Vernichtung der Ressourcen geschaffen. Des Weiteren: Ein 3000 km Roadtrip von 20 Tonnen Tomaten von der Türkei bis nach Wien karikiert den Wahnsinn unserer Konsumwelt. Ein ‚Hostienalbum‘ verweist auf Parallelen von banalen Handlungen in der Küche zu Zeremonien der Messfeier.
Im vierten Tischgespräch (30. 06. 2016, Admont) kamen persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, Träume und Pläne zur Sprache. M. und S. sind neu in Admont. Sie sind mit ihrer Familie hierher geflohen. Sie sprechen schon recht gut Deutsch, besuchen die Schule, obwohl vieles schwierig ist, haben sie große Pläne für ihre Zukunft. M möchte im Gesundheitsbereich arbeiten und S. möchte gerne Polizistin werden. T. ist mit ihrem österreichischen Mann nach Admont gezogen. Sie hat eine künstlerische Ausbildung. Durch eine große Gruppe Geflüchteter, die in einem Heim in Admont untergebracht worden sind, hat sie entdeckt, dass sie mit ihrer Muttersprache Farsi und mit ihrer Ausbildung, Menschen unterstützen kann. Sie übersetzt, begleitet und leitet Zeichenworkshops für junge Leute. Im Ort wird sie sehr geschätzt. M. spricht Russisch, Tschetschenisch, Tatarisch und Deutsch, auch sie ist mit ihrer Familie neu im Ort. Sie investiert viel Zeit in gemeinschaftliche Arbeit, sei es im Sprachgarten, sei es im ehrenamtlichen Sprachunterricht für Kinder der Volksschule Admont. A. und E. sind beide 60 +. Ihre Eltern sind als deutschsprachige Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg in den Ort gekommen. Das war auch nicht immer leicht. Der Ort und das gesamte Wirtschaftsleben hat sich stark verändert.
Künstler*innen: Götz Bury, Johannes Deutsch, Markus Dressler, Christian Eisenberger, Maria Hahnenkamp, Lisa Huber, Alfred Klinkan, Lena Knilli, Sebastian Köpcke & Volker Weinhold, Edgar Lissel, Alois Mosbacher, Anton Petz, Michael Pisk, Wendelin Pressl, Hannes Priesch, Gerwald Rockenschaub, Kurt Ryslavy, Hubert Schmalix, Ernst Schmid, Deborah Sengl, Gabriele Sturm, Suvat, Erwin Wurm, Fabio Zolly
Kurator*in: Michael Braunsteiner
26 .11. 2015 – 07. 02. 2016
Künstlerhaus, Wien
Gender? Prekär? Macht nichts? Ein Programm zur künstlerischen Realität zwischen Ohnmacht und (Selbst)Ermächtigung. Der dritte und letzte Teil des Schwerpunktthemas Brennende Fragen vereint Einzel- und Gruppenpositionen, Installationen, Performances, Vorträge und Talks zu einem Cluster machtkritischer Diskurse. Dabei werden sowohl Fragen nach den zunehmend prekären Arbeits- und Lebensbedingungen von bildenden KünstlerInnen aufgeworfen und von den in der Ausstellung mehrheitlich vertretenen weiblichen Kunstschaffenden pointiert visualisiert, als auch Untersuchungen der Machtverhältnisse auf globale Phänomene wie Gewalt, Krieg und daraus resultierendes menschliches Leid ausgeweitet.
Im dritten Tischgespräch (06. 12. 2015, Wien) wird u.a. über die Themen Familie und Schule gesprochen. A. und M. kommen aus afghanischen Wiener Familien. Sie beschreiben ihre Sicht auf ihr Leben und auf ihre Zukunftspläne, die sich deutlich von der Sicht ihrer Eltern und Geschwister unterscheidet. Die Jugendlichen und junge Erwachsenen wollen selbständig sein, den Eltern fällt es teilweise schwer, dies zuzulassen. Sie reflektieren aber auch die schwierigen Umstände, in denen die Eltern in Wien neu angefangen haben und wieviel Unterstützung sie ihnen gegeben haben. Beide Mütter sind nie in die Schule gegangen, sie sind Hausfrauen und leben relativ isoliert. L. ist Student aus Kenia, für ihn galt die Regel, dass er mit 18 auszuziehen hatte und seinen eigenen Hausstand zu gründen hatte. Z. ist als Kind in den 50er Jahren mit der Mutter und den Geschwistern aus Ungarn geflohen. Ihr Vater kam nach. Die Familie hatte Verwandtschaft in Österreich, dennoch war es enorm schwierig beruflich Fuß zu fassen. Z., A. und M. erzählen über die Erfahrungen und Enttäuschungen, die die Zurückstufungen in niedrigere Schulklassen mit sich gebracht haben. Alle Personen am Tisch sind mehrsprachig: Mein Name ist meine Geschichte und meine Familiensprache ist meine Geschichte. Als Kärntner Slowenin berichtet T. über die Politisierung von Sprache und über das, was ihr Großvater als Widerstandskämpfer für Österreich geleistet hat. Sie können sich das Tischgespräch hier anhören.
Kurator*in: Maria Christine Holter
26. 09. 2015 – 17. 01. 2016
Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz
Die Ausstellung reliqte, reloaded befragt das Erbe christlicher Bildwelten in Kunst des beginnenden XXI. Jahrhunderts. Die Schau, die zum 40. Geburtstag des Kulturzentrums bei den Minoriten stattfindet, ist eine Koproduktion mit dem steirischen herbst, der 2015 von Relikten, Spuren, Hinterlassenschaften handelt. reliqte, reloaded hält nach künstlerischen Lösungen in der Gegenwartskunst Ausschau, in denen das Erbe christlicher Bildwelten als inspirierend bearbeitet wird. Es geht um ‚Reste‘ von Bildmotiven, die ‚wiederaufgeladen‘ wurden – als Spiel, als Prozess, als Beweislast, als Funktion, als Nutzen. Jedenfalls gingen eine Entladung, eine Erschlaffung voraus, ein Prozess der Entropie, mitunter auf ein Nullniveau hinab. Die unterschiedlichen Herangehensweisen entwickeln sich aus der Wahrnehmung einer Wiederkehr von Elementen christlicher Ikonografie am Beginn dieses Jahrtausends. Gezeigt werden mehr Werke bzw. Werkgruppen von drei Dutzend KünstlerInnen: Höchste malerische Meisterschaft und radikale Bildverweigerung stehen in rund 100 verschiedenen Arbeiten von 36 Künstlerinnen und Künstlern, die in der Präsentation auf zwei Stockwerken aufgeteilt sind, dicht nebeneinander, von Malerei und Installation bis zu Videokunst und Performance.
Das Thema Flucht hat das zweite ‚Tischgespräch‘ (30. 10. 2015) bestimmt. A. beschreibt seine Flucht von Syrien in die Türkei, wo er seine Familie zurückgelassen hat. Alleine ist er über die lebensbedrohliche Route über das Mittelmeer und weiter zu Fuß und mit Bussen nach Österreich gekommen. S. arbeitet für die Stadt. Sie war drei Jahre alt, als ihre Eltern mit ihr aus Bosnien nach Österreich geflohen sind. Heute engagiert sie sich privat sehr für Flüchtlinge. Mit ihrer Schwester und vielen weiteren Helfern hat sie Enormes z. B. am Grazer Hauptbahnhof geleistet. Sie spricht Grazerisch und trägt Kopftuch, mit einem bosnischen Familiennamen erfahren sie und ihre Kinder jedoch immer wieder Ausgrenzungsversuche. A. und R. arbeiten in einem interkulturellen Kindergarten. 95 % der Kinder haben eine andere Muttersprache als Deutsch. Elterngespräche finden im kleinen Kreis mit privaten Dolmetschern statt. Es gibt viele internationale Erzieher*innen und Mitarbeiter*innen in diesem Kindergarten. Sie können sich das Tischgespräch hier anhören.
Kurator*in: Johannes Rauchenberger
16. 06. 2015, Atelier Knilli
Im ersten Tischgespräch (16. 06. 2015, Wien) war u.a. das Thema Schule sehr präsent. E. berichtet über ihre Schulzeit in Wien, als Wienerin aus einer türkischen Familie hat der Förderunterricht Deutsch gar nicht gefruchtet, sondern eher dazu geführt, sie und weitere Kinder mit familiärem Migrationshintergrund auszugrenzen, anstatt sie zu fördern. T. arbeitet als DaZ Lehrerin an einer Wiener Schule und spricht über ihre zeitweise Ratlosigkeit in der Arbeit mit einer Gruppe syrischer Jugendlicher, die ihr anvertraut sind. Die Jugendlichen kommen aus einem großen Flüchtlingslager in Jordanien, sie sind jahrelang nicht oder auch noch nie in die Schule gegangen und sind mit ihrer neuen ituation momentan offensichtlich überfordert. G. ist Patin für einen jungen Mann aus Afghanistan, sie treffen sich wöchentlich zu gemeinsamen Aktivitäten. Als junge Frau ist G. alleine nach Afghanistan gereist. M. hat ihren künstlerischen Beruf aufgegeben. In den letzten drei Jahren hat sie ihre meiste Kraft dafür aufgewandt, Familienmitglieder aus Syrien nach Österreich zu holen. Sie können sich das Tischgespräch hier anhören.
Eine partizipative Installation
In der Installation Zu Tisch verbinden sich die ‚Lesart‘ der Zeichnungen und Gemälde mit den authentischen Inhalten der Tischgespräche vor Ort. Auf einem Monitor in der Installation können die vorangegangenen Tischgespräche verfolgt werden. Das Tischgespräch ist partizipativ und nicht abgeschlossen und verbindet verschiedene Ausstellungs-/Inszenierungs- und Handlungsorte miteinander, indem jeweils die Dokumentation des vorangegangenen Gesprächs an einem neuen Ort in der Ausstellung zu sehen ist, bis ein neues Gespräch vor Ort stattgefunden hat.
Der gedeckte Tisch steht als Aufforderung im Raum. Ein Tischgespräch in der jeweiligen, aktuellen Ausstellung, das nach bestimmten Vorgaben mit Video aufgezeichnet wird und als solches Bestandteil der Installation, ist Teil des Gesamtkonzepts der Installation. An den unterschiedlichen Ausstellungsorten haben sechs Personen gemeinsam an diesem gedeckten Tisch gegessen und ein Tischgespräch geführt. Von 2015 bis 2018 heben bereits fünf Tischgespräche stattgefunden. Die Tischgäste qualifizieren sich durch ihre persönlichen, biographischen und/oder durch ihre professionellen Erfahrungen in den Bereichen Mehrsprachigkeit, Transkulturalität, ‚Ich und die anderen‘, Weggehen, Ankommen, Leben mit Krankheit, Einschränkung, Behinderung und ihr Interesse an den Erfahrungen der anderen. Für das Tischgespräch werden Spielregeln vereinbart. Es wird in Vorgesprächen inhaltlich vorbereitet, aber vor Ort nicht moderiert. Das Tischgespräch wird per Video (Bild und Ton) dokumentiert (Aufnahme/Schnitt/Nachbearbeitung) und ist in Folge in der Raum – Installation zu sehen und zu hören.
18. 09. – 17. 10. 2019
Marktkirche St. Georgii et Jacobi, Hannover
Im Rahmen von Kunst trotz(t) Ausgrenzung hat am 30. 09. 2019 in der Marktkirche Hannover St. Georgii et Jacobi ein ‚Tischgespräch‘ stattgefunden. Sechs ‚Tischgäste‘ aus Hannover wurden bei einem einfachen Abendessen partizipativer Teil der Rauminstallation Zu Tisch! Sie tauschten bei Tisch in einem zugewandten, interessierten Gespräch persönliche
18. 08. – 31. 10. 2018
St. Ulrici Brüdern Kirche, Braunschweig
Mit der Wanderausstellung Kunst trotz(t) Ausgrenzung wird die öffentliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ausgrenzungsphänomenen gesucht. Künstler*innen, die sich ganz unterschiedlich sozial und kulturell verorten, laden mit ihren Werken ein breites Publikum dazu ein, neue Perspektiven auf eine Gesellschaft der Vielfalt zu gewinnen und einen eigenen Standpunkt in einer zentralen politischen Debatte zu finden. Für das Ausstellungsprojekt hat Kurator Andreas Pitz über 50 Künstlerinnen und Künstler gewinnen können, die sich in ihren Arbeiten mit unterschiedlichsten Ausdrucksformen und Techniken mit dem Thema auseinandersetzen.
Im fünften Tischgespräch wurde in persönlichen Berichten ein Bild der Zuwanderung nach Deutschland in den letzten Jahrzehnten gezeichnet. Miguel kam in den 70er Jahren als ‚Gastarbeiter‘ aus Spanien nach Deutschland, um sein Studium in Spanien zu finanzieren, er hat sehr positive Erfahrungen gemacht. Sein Arbeitsvertrag wurde mehrfach verlängert, er beschloss zu bleiben. Hans kam als Kind 1945 mit seiner Familie in die Umgebung von Braunschweig. Seine Familie war aus Ostpreußen vertrieben worden. Sie waren Flüchtlinge im von Krieg und Nationalsozialismus zerstörten Land. Erst der zweite lebensbedrohliche Fluchtversuch von Herrn D., den er als 19jähriger unternommen hat, um aus Vietnam herauszukommen, ist geglückt. Er beschreibt sein Ankommen im Deutschland der Siebziger Jahre, seine Erfahrungen, seinen beruflichen Werdegang. Nadja wurde in der Schule ausgegrenzt und gemobbt. Heute lebt sie in einem Dorf der Diakonie, in dem Menschen mit und ohne Behinderung leben und arbeiten können. Vivi hat ebenfalls reichlich Erfahrungen mit Ausgrenzung gemacht, sie bestärkt Nadja, ihren eigenen Weg zu verfolgen. Selber hat sie auch viel Unterstützung von Einzelpersonen erfahren. Abdu lebt erst seit vier Jahren in Braunschweig und Hannover. Aufgrund des Krieges musste seine Familie Syrien verlassen. Er macht eine Ausbildung zum Physiotherapeuten und parallel sein Abitur. Sie können sich das Tischgespräch hier anhören.
2016, Stift Admont
Kochen ist wohl die älteste schöpferische Tätigkeit des Menschen. Aber lassen Sie sich im Museum für Gegenwartskunst von weiteren Aspekten des Fressens und Gefressen-Werdens, nobler und skurriler Speisen, entrückter und verrückter Essens-Perpektiven überraschen! Hätten Sie das erwartet? Admonter Mönche, die mit Essbarkeiten als ‚One Minute Sculptures‘ agieren? Oder Spaghetti-Nudeln als Mikadostäbchen? Ameisen, die Zucker-Architekturen abtragen, zerfressen und den Baustoff in die Nahrungskette eingliedern? Oder wie wäre es damit: Röntgen-Computertomographien von Big Macs, Hamburgern? Bleibt der Ernst? Anhand von ‚Fastfood‘ kann auch das Verhältnis von Nahrung und Ökologie thematisiert werden. Die moderne Lebensmittelindustrie im Verein mit industrieller Landwirtschaft und dem Konsumentenwunsch nach billigem, immer greifbaren Nahrungsangebot hat eine Spirale der Vernichtung der Ressourcen geschaffen. Des Weiteren: Ein 3000 km Roadtrip von 20 Tonnen Tomaten von der Türkei bis nach Wien karikiert den Wahnsinn unserer Konsumwelt. Ein ‚Hostienalbum‘ verweist auf Parallelen von banalen Handlungen in der Küche zu Zeremonien der Messfeier.
Im vierten Tischgespräch (30. 06. 2016, Admont) kamen persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, Träume und Pläne zur Sprache. M. und S. sind neu in Admont. Sie sind mit ihrer Familie hierher geflohen. Sie sprechen schon recht gut Deutsch, besuchen die Schule, obwohl vieles schwierig ist, haben sie große Pläne für ihre Zukunft. M möchte im Gesundheitsbereich arbeiten und S. möchte gerne Polizistin werden. T. ist mit ihrem österreichischen Mann nach Admont gezogen. Sie hat eine künstlerische Ausbildung. Durch eine große Gruppe Geflüchteter, die in einem Heim in Admont untergebracht worden sind, hat sie entdeckt, dass sie mit ihrer Muttersprache Farsi und mit ihrer Ausbildung, Menschen unterstützen kann. Sie übersetzt, begleitet und leitet Zeichenworkshops für junge Leute. Im Ort wird sie sehr geschätzt. M. spricht Russisch, Tschetschenisch, Tatarisch und Deutsch, auch sie ist mit ihrer Familie neu im Ort. Sie investiert viel Zeit in gemeinschaftliche Arbeit, sei es im Sprachgarten, sei es im ehrenamtlichen Sprachunterricht für Kinder der Volksschule Admont. A. und E. sind beide 60 +. Ihre Eltern sind als deutschsprachige Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg in den Ort gekommen. Das war auch nicht immer leicht. Der Ort und das gesamte Wirtschaftsleben hat sich stark verändert.
Künstler*innen: Götz Bury, Johannes Deutsch, Markus Dressler, Christian Eisenberger, Maria Hahnenkamp, Lisa Huber, Alfred Klinkan, Lena Knilli, Sebastian Köpcke & Volker Weinhold, Edgar Lissel, Alois Mosbacher, Anton Petz, Michael Pisk, Wendelin Pressl, Hannes Priesch, Gerwald Rockenschaub, Kurt Ryslavy, Hubert Schmalix, Ernst Schmid, Deborah Sengl, Gabriele Sturm, Suvat, Erwin Wurm, Fabio Zolly
Kurator*in: Michael Braunsteiner
26 .11. 2015 – 07. 02. 2016
Künstlerhaus, Wien
Gender? Prekär? Macht nichts? Ein Programm zur künstlerischen Realität zwischen Ohnmacht und (Selbst)Ermächtigung. Der dritte und letzte Teil des Schwerpunktthemas Brennende Fragen vereint Einzel- und Gruppenpositionen, Installationen, Performances, Vorträge und Talks zu einem Cluster machtkritischer Diskurse. Dabei werden sowohl Fragen nach den zunehmend prekären Arbeits- und Lebensbedingungen von bildenden KünstlerInnen aufgeworfen und von den in der Ausstellung mehrheitlich vertretenen weiblichen Kunstschaffenden pointiert visualisiert, als auch Untersuchungen der Machtverhältnisse auf globale Phänomene wie Gewalt, Krieg und daraus resultierendes menschliches Leid ausgeweitet.
Im dritten Tischgespräch (06. 12. 2015, Wien) wird u.a. über die Themen Familie und Schule gesprochen. A. und M. kommen aus afghanischen Wiener Familien. Sie beschreiben ihre Sicht auf ihr Leben und auf ihre Zukunftspläne, die sich deutlich von der Sicht ihrer Eltern und Geschwister unterscheidet. Die Jugendlichen und junge Erwachsenen wollen selbständig sein, den Eltern fällt es teilweise schwer, dies zuzulassen. Sie reflektieren aber auch die schwierigen Umstände, in denen die Eltern in Wien neu angefangen haben und wieviel Unterstützung sie ihnen gegeben haben. Beide Mütter sind nie in die Schule gegangen, sie sind Hausfrauen und leben relativ isoliert. L. ist Student aus Kenia, für ihn galt die Regel, dass er mit 18 auszuziehen hatte und seinen eigenen Hausstand zu gründen hatte. Z. ist als Kind in den 50er Jahren mit der Mutter und den Geschwistern aus Ungarn geflohen. Ihr Vater kam nach. Die Familie hatte Verwandtschaft in Österreich, dennoch war es enorm schwierig beruflich Fuß zu fassen. Z., A. und M. erzählen über die Erfahrungen und Enttäuschungen, die die Zurückstufungen in niedrigere Schulklassen mit sich gebracht haben. Alle Personen am Tisch sind mehrsprachig: Mein Name ist meine Geschichte und meine Familiensprache ist meine Geschichte. Als Kärntner Slowenin berichtet T. über die Politisierung von Sprache und über das, was ihr Großvater als Widerstandskämpfer für Österreich geleistet hat. Sie können sich das Tischgespräch hier anhören.
Kurator*in: Maria Christine Holter
26. 09. 2015 – 17. 01. 2016
Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz
Die Ausstellung reliqte, reloaded befragt das Erbe christlicher Bildwelten in Kunst des beginnenden XXI. Jahrhunderts. Die Schau, die zum 40. Geburtstag des Kulturzentrums bei den Minoriten stattfindet, ist eine Koproduktion mit dem steirischen herbst, der 2015 von Relikten, Spuren, Hinterlassenschaften handelt. reliqte, reloaded hält nach künstlerischen Lösungen in der Gegenwartskunst Ausschau, in denen das Erbe christlicher Bildwelten als inspirierend bearbeitet wird. Es geht um ‚Reste‘ von Bildmotiven, die ‚wiederaufgeladen‘ wurden – als Spiel, als Prozess, als Beweislast, als Funktion, als Nutzen. Jedenfalls gingen eine Entladung, eine Erschlaffung voraus, ein Prozess der Entropie, mitunter auf ein Nullniveau hinab. Die unterschiedlichen Herangehensweisen entwickeln sich aus der Wahrnehmung einer Wiederkehr von Elementen christlicher Ikonografie am Beginn dieses Jahrtausends. Gezeigt werden mehr Werke bzw. Werkgruppen von drei Dutzend KünstlerInnen: Höchste malerische Meisterschaft und radikale Bildverweigerung stehen in rund 100 verschiedenen Arbeiten von 36 Künstlerinnen und Künstlern, die in der Präsentation auf zwei Stockwerken aufgeteilt sind, dicht nebeneinander, von Malerei und Installation bis zu Videokunst und Performance.
Das Thema Flucht hat das zweite ‚Tischgespräch‘ (30. 10. 2015) bestimmt. A. beschreibt seine Flucht von Syrien in die Türkei, wo er seine Familie zurückgelassen hat. Alleine ist er über die lebensbedrohliche Route über das Mittelmeer und weiter zu Fuß und mit Bussen nach Österreich gekommen. S. arbeitet für die Stadt. Sie war drei Jahre alt, als ihre Eltern mit ihr aus Bosnien nach Österreich geflohen sind. Heute engagiert sie sich privat sehr für Flüchtlinge. Mit ihrer Schwester und vielen weiteren Helfern hat sie Enormes z. B. am Grazer Hauptbahnhof geleistet. Sie spricht Grazerisch und trägt Kopftuch, mit einem bosnischen Familiennamen erfahren sie und ihre Kinder jedoch immer wieder Ausgrenzungsversuche. A. und R. arbeiten in einem interkulturellen Kindergarten. 95 % der Kinder haben eine andere Muttersprache als Deutsch. Elterngespräche finden im kleinen Kreis mit privaten Dolmetschern statt. Es gibt viele internationale Erzieher*innen und Mitarbeiter*innen in diesem Kindergarten. Sie können sich das Tischgespräch hier anhören.
Kurator*in: Johannes Rauchenberger
16. 06. 2015, Atelier Knilli
Im ersten Tischgespräch (16. 06. 2015, Wien) war u.a. das Thema Schule sehr präsent. E. berichtet über ihre Schulzeit in Wien, als Wienerin aus einer türkischen Familie hat der Förderunterricht Deutsch gar nicht gefruchtet, sondern eher dazu geführt, sie und weitere Kinder mit familiärem Migrationshintergrund auszugrenzen, anstatt sie zu fördern. T. arbeitet als DaZ Lehrerin an einer Wiener Schule und spricht über ihre zeitweise Ratlosigkeit in der Arbeit mit einer Gruppe syrischer Jugendlicher, die ihr anvertraut sind. Die Jugendlichen kommen aus einem großen Flüchtlingslager in Jordanien, sie sind jahrelang nicht oder auch noch nie in die Schule gegangen und sind mit ihrer neuen ituation momentan offensichtlich überfordert. G. ist Patin für einen jungen Mann aus Afghanistan, sie treffen sich wöchentlich zu gemeinsamen Aktivitäten. Als junge Frau ist G. alleine nach Afghanistan gereist. M. hat ihren künstlerischen Beruf aufgegeben. In den letzten drei Jahren hat sie ihre meiste Kraft dafür aufgewandt, Familienmitglieder aus Syrien nach Österreich zu holen. Sie können sich das Tischgespräch hier anhören.
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